Finanzielles Wohlbefinden

Das Thema Finanzbildung ist en vogue und auch auf institutioneller Ebene bewegt sich einiges. In Zusammenarbeit mit der OECD ist in Österreich eine nationale Strategie dazu entwickelt worden. Im Schulunterricht sollen Wirtschafts- und Finanzthemen eine stärke Bedeutung einnehmen. Die OeNB ist schon seit vielen Jahren in diesem Bereich aktiv und bietet eine breite Palette von Finanzbildungsinitiativen für unterschiedliche Zielgruppen an. Doch warum eigentlich? Welche Ziele sollen mit Finanzbildung erreicht werden?

Wissen ist wichtig, aber nicht immer genug …

Auf die Frage nach dem Warum und Wozu gibt es eine ganze Palette an möglichen Antworten. Das gilt auch für die wissenschaftliche Literatur, wobei hier mehrere Evolutionsstufen erkennbar sind. In einem ersten Schritt lag der Fokus allein auf dem Wissen, oft verbunden mit rechnerischen Fähigkeiten. Was ich weiß und was ich kann ist zwar ohne Frage eine wichtige Voraussetzung – aber isoliert betrachtet noch keine Garantie für eine erfolgreiche Gestaltung des Finanzlebens. So wie das Wissen über den Aufbau der Ernährungspyramide noch nicht eine gesunde Ernährung sicherstellt, konnten wissenschaftliche Untersuchungen keine oder nur sehr kleine positive Auswirkungen einer zugeschnittenen Finanzbildung nachweisen. Der Wunsch, Menschen in finanzieller Notlage allein durch mehr Finanzwissen aus dieser Situation zu bringen, steht demnach unter keinem guten Stern.

Auf das Verhalten kommt es an!

Dies mag verwundern und in gewisser Weise auch ernüchtern, mittlerweile gibt es aber schon eine Reihe von Studien die folgende Erklärung nahelegen: Entscheidender als das Wissen selbst, ist es, dieses Wissen – bewusst oder unbewusst – in bestimmte Verhaltensmuster und Routinen zu übersetzen. In einer wegweisenden Arbeit1 wurden folgende Bereiche besonders hervorgehoben: Einnahmen und Ausgaben in Balance halten, sich einen Überblick über die persönlichen Finanzen erarbeiten und für die Zukunft planen, die passenden Finanzprodukte auswählen und informiert bleiben.

Nicht alle Wege führen nach Rom – aber viele!

Neben der eigenen Motivation und persönlichen Charaktereigenschaften braucht es aber auch die Rahmenbedingungen, die ein finanzbewusstes Verhalten überhaupt erst möglich machen. Neben der individuellen Verantwortung, Handlungsspielräume zu erkennen und wahrzunehmen, sollte die Bedeutung öffentlicher Institutionen hier nicht vernachlässigt werden. Ein möglichst barrierefreier Zugang zu Finanzprodukten, KonsumentInnenschutz, adäquate Einkommen und stabile Preise – all das beeinflusst das individuelle finanzielle Wohlbefinden und geht über den persönlichen Einflussbereich hinaus. In diesem Sinn werden unter dem englischen Begriff financial well-being die Einflüsse all dieser Bereiche vereint: Wissen, Fähigkeiten, psychologische Faktoren, Verhalten und die Rahmenbedingungen, in denen wir uns bewegen.

Die Wege zum finanziellen Wohlbefinden sind unterschiedlich – eine Finanzbildung, die all diese Bereiche einbezieht, möchte einen Beitrag leisten, damit das Leben von möglichst vielen Menschen in finanzieller Hinsicht gelingt. Das ist auch das Ziel der OeNB mit ihren Initiativen unter finanzbildung.oenb.at.

 

1Kempson, E., Finney, A., & Poppe, C. (2017). Financial well-being: A conceptual model and preliminary analysis (Project Note No. 3-2017). SIFO Consumption Research Norway, Oslo and Akershus University College of Applied Sciences. Oslo, Norway.